Kunst aus Bamberg queer gelesen
18. Juli 2025
Die Kunstszene der 1920er Jahre in Bamberg war deutlich bunter, als bisher angenommen. Lange blieben die Werke dieser Künstlerinnen und Künstler unauffällig, doch jetzt fangen die Museen der Stadt Bamberg an, einen queeren Blick auf die Kunst von damals zu werfen. Eleonora Cagol, Kuratorin für die Kulturelle Bildung der Museen der Stadt Bamberg, hat im Zuge erster Recherchen herausgefunden, dass eine bedeutende Künstlerin dieser Zeit, Maria Lerch, deren Werke im Historischen Museum ausgestellt sind, lesbisch war. Diese Erkenntnis eröffnet neue Perspektiven auf die damalige Kunst- und Kulturlandschaft und unterstreicht die Bedeutung der Vielfalt in der Kunstgeschichte.
Anlässlich der ersten LGBTQIA+Führung durch die Gemäldegalerie „Bilderspaziergang“ und die Intervention „RE-CALL“, die kürzlich stattfand, kündigte die Kuratorin an, dass diese spannende Entdeckung nun gewürdigt wird. Maria Lerch kam 1915 als Turn- und Zeichenlehrerin nach Bamberg und hat in der Alten Hofhaltung gelebt, wo sich auch ihr Atelier befand. Sie war vor allem als Bildhauerin tätig und arbeitete mit Wachs, Gips, Stein und Ton. Bei den Recherchen zur Vorbereitung der ersten LGBTQIA+Führung entdeckte die Kuratorin Eleonora Cagol, dass sich neben der im Historischen Museum ausgestellten Statuette mit dem Titel „Sitzendes Paar“ eine weitere Statuette, die einen Kuss darstellt und die gleichen beiden Personen zeigt, in den Sammlungen der Städtischen Museen befindet. „Schon im letzten Jahr, als ich diese Tonfigur auswählte, um sie im Rahmen der Neukuratierung der Gemäldegalerie als Beispiel für ein Werk der Bildhauerin auszustellen, hatte ich mich gefragt, ob es sich bei den beiden Figuren nicht um zwei Frauen handelt. Da ich jedoch keine Informationen darüber gefunden hatte, hatte ich auf dem Objektschild geschrieben, dass es sich um einen Mann und eine Frau handelt, wie es in der Museumsdatenbank stand“ erklärt Eleonora Cagol. „Glücklicherweise habe ich jetzt in der Museumsdatenbank eine kurze Notiz zu der anderen Statuette gefunden, die erklärt, dass - als 2002 die Statuette abgeholt wurde - die Verkäuferin erzählt hat, dass ihre Mutter mit Maria Lerch befreundet war und dass Frau Lerch wohl lesbisch war ("dem anderen Geschlecht zugetan" o.ä.) und diese Plastik sie selbst und ihre Freundin im Hosenanzug darstelle.“
Als Ergebnis der Führung wird das bisher falsch beschriftete Objektschild entsprechend angepasst. Das neue Schild wird die tatsächliche Bedeutung des Objekts widerspiegeln und die queere Geschichte der Kunstszene in Bamberg sichtbar machen. „Unsere Recherchen zeigen, dass die Kunst und Kultur in Bamberg in den 1920er Jahren viel lebendiger und offener war, als wir bisher annahmen“, erklärt Eleonora Cagol. „Mit dieser Führung und jetzt dem Austausch des falschen Objektschildes möchten wir die verborgenen queeren Geschichten dieser Zeit sichtbar machen und ein Zeichen für Toleranz und Offenheit setzen.“
Die Museen Bamberg laden alle Interessierten herzlich ein, die Gemäldegalerie „Bilderspaziergang“ und die Intervention „RE-CALL“ zu besuchen, das neue Objektschild aufzufinden und all die faszinierenden Geschichten hinter den Kunstwerken zu entdecken.
Foto: Kuratorin Eleonora Cagol tauscht das falsche Objektschild aus,
Foto Julia Heine © Museen der Stadt Bamberg