Teller mit Orangen
Teller: Nevers, 18. Jh., Orangen: Aubagne, 20. Jh., Fayence, Inv. Nr. L 356
Kann ein Augentäuscher auch Spezialisten täuschen? Und kann ein Fake Food gefakt sein?
Um 1750 kamen Gefäße in Form von Tieren oder Pflanzen, so genannte Schaugerichte, und Trompe-l'œils, übersetzt Augentäuscher, in Mode. Beide entsprechen der barocken Lust und Freude an der Überraschung. Doch während Schaugerichte reale Gefäße sind, die theoretisch auch benutzt werden konnten, haben Trompe-l'œils keine praktische Funktion, sondern dienten als Tischdekoration und sollten wohl Schleckermäuler foppen.
Im 18. Jahrhundert wurde die Tischkultur mit großem Vergnügen zelebriert. Die Kunst, Gäste zu empfangen, bestand darin, ihnen ein Gesamtkunstwerk zu bieten, das alle fünf Sinne anregte. Der Mittelpunkt der Tafel sollte eine dekorative Attraktion sein und bestand oft aus einem oder mehreren Fake Foods: Schaugerichte und Trompe-l'œils als realistische Nachbildungen von Speisen, mit denen der Gastgeber einen Überraschungseffekt erzielen und so die Unterhaltung bei Tisch anregen wollte.
Aber wie kann dann ein Fake Food gefakt sein?
Als dieser Teller mit Orangen für die Sammlung Ludwig erworben wurde, galt er als in Straßburg im 18. Jahrhundert gefertigt. In der Tat stammt der bemalte Fayenceteller aus dem 18. Jahrhundert, allerdings nicht aus Straßburg, sondern aus der Manufaktur von Nevers in Frankreich. Doch erst im 20. Jahrhundert wurde er mit den Orangen bestückt und erneut gebrannt. Die Fälscher wollten aus einem einfachen Objekt ein Schaugericht im Stil des 18. Jahrhunderts machen und so einen viel höheren Preis erzielen. Ihr Geschick lag in der Verwendung eines originalen Tellers aus dem 18. Jahrhundert, so dass auch Spezialisten getäuscht werden konnten.
Als gefaktes Fake Food ist dieser Teller in der Ausstellung „Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein" im Alten Rathaus zusammen mit vielen anderen köstlichen Schaugerichten und Trompe-l'œils zu bewundern.