Historische Museum in der Alten Hofhaltung am Domplatz.

Allgemeine Informationen

Sitzendes Paar

Maria Lerch, um 1935, Ton, Inv. Nr. Pl 4/144, Historisches Museum, Museen der Stadt Bamberg

Zwei Figuren sitzen in einer liebevollen Umarmung nebeneinander. Was hat diese Tonplastik mit der Kunstszene der 1930er Jahre und der queeren Geschichte Bambergs zu tun? Leben und Werk der Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit waren eng miteinander verflochten.

Besonders Otto Boveri spielte neben Anton Rauh eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der Kunst in Bamberg und Franken. Als treibende Kraft vermittelte er jungen Künstlern wie Josef Albert Benkert und Alexander Zschetzsche erste expressionistische Anregungen und förderte so die künstlerische Vielfalt in der Region.

Alexander Zschetzsche, das dritte Kind von Boveris Schwester Erdmuthe, zog nach der Scheidung seiner Eltern mit seiner Familie nach Bamberg. Dort fungierte sein Onkel Otto Boveri als eine Art Ersatzvater für den jungen Zschetzsche. Nach dessen Tod im Jahr 1946 erbte Zschetzsche dessen Wohnung. In der Forschung wird immer wieder auf Zschetzsches Homosexualität hingewiesen, was im Kontext seiner Kunst und seiner persönlichen Geschichte eine interessante Perspektive eröffnet.

Besonders spannend sind die Fresken, die Zschetzsche im Atelier der Bildhauerin Maria Lerch in der Alten Hofhaltung malte. Sie zeigten junge männliche Akte, die sich um ein Feuer gruppieren. Leider existieren die Fresken heute nicht mehr, sie geben jedoch einen Einblick in die kreative und möglicherweise auch persönliche Welt des Künstlers.

Otto Boveri hat die Künstlerin Maria Lerch und ihr Atelier mehrfach dargestellt. Zwei dieser Werke sind in der Gemäldegalerie „Bilderspaziergang“ zu sehen, neben den sich umarmenden Figuren. Betrachtet man das sitzende Paar genauer, so erkennt man, dass es sich um zwei Frauen handelt.

In den Sammlungen der Museen der Stadt Bamberg befindet sich eine zweite Tonfigur von Maria Lerch, die einen Kuss darstellt. Diese gehörte einer Freundin der Bildhauerin. Als ihre Tochter die Skulptur dem Museum verkaufte, soll sie angedeutet haben, dass Maria Lerch lesbisch war und die Figur ihre Partnerin zeigt. Da sich die Darstellung der Personen in beiden Werken sehr ähnelt, ist davon auszugehen, dass die Künstlerin jeweils sich und ihre Partnerin modelliert hat.

Diese Erkenntnisse ermöglichen neue Sichtweisen auf die damalige Kunst- und Kulturlandschaft und unterstreichen die Bedeutung der Vielfalt in der Kunstgeschichte. Mit ihren Recherchen möchten die Museen der Stadt Bamberg die verborgenen queeren Geschichten dieser Zeit sichtbar machen und ein Zeichen für Toleranz und Offenheit setzen.