300 Jahre Fayencemanufaktur Hannong in Straßburg
Fayencen aus der Straßburger Manufaktur der Familie Hannong zählen zu den schönsten keramischen Kunstwerken Europas. Mit ihrer außerordentlich hohen Qualität setzten sie den Maßstab für die Entwicklung aller Manufakturen des 18. Jahrhunderts. Am 18. August 1721, also vor genau 300 Jahren, unterzeichneten Charles-François Hannong und Johann Heinrich Wachenfeld in Straßburg den Gründungsvertrag für eine Fayencemanufaktur. Grund für uns, dieses Ereignis zu würdigen.
Charles-François Hannong (um 1669 1739) stammte aus Maastricht und hatte in Straßburg bereits eine Tonpfeifenfabrik aufgebaut. 1719 traf dort Johann Heinrich Wachenfeld (1694 1725) aus Ansbach ein, der dort als Dreher, Former und Fayencemaler gearbeitet hatte. Er war mit der Absicht gekommen, eine Fayencemanufaktur zu gründen, kam aber alleine gegen die technischen Probleme nicht an. Deshalb schloss er sich 1721 mit Hannong zusammen. Innerhalb der nächsten 60 Jahre schufen drei Generationen der Familie Hannong und zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Erzeugnisse von so überragender Qualität, dass sie bis heute zu dem Besten zählen, was die europäische Keramikkunst hervorgebracht hat.
Kein Schaden ohne Nutzen
Wie das Leben manchmal spielt, waren politische Umstände und äußere Zwänge mitverantwortlich für diese Entwicklung: Die Blütezeit der Fayence lag in Frankreich etwa zwischen 1690 und 1780. Unbeabsichtigt gefördert wurde sie durch die Anti-Luxus-Gesetze König Ludwigs XIV. von Frankreich, der dreimal, 1689, 1699 und 1709, den bis dahin bei Adeligen sehr verbreiteten Gebrauch und Besitz, ja überhaupt die Herstellung von silbernem oder silbervergoldetem Tafelgeschirr verboten hatte. Die betroffenen Personenkreise mussten sogar ihre Edelmetall-Tafelservice bei der königlichen Münze abliefern. Da man in dieser Zeit in Europa selbst noch kein Porzellan herstellen konnte, kam als Ersatz nur Fayence in Frage, das man dem ostasiatischen Porzellan so ähnlich wie möglich zu gestalten versuchte.
Aber warum auch später kein Porzellan?
Selbst lange nach der Erfindung des Porzellans in Dresden 1709 war man in Straßburg und anderen französischen Manufakturen gezwungen, sich auf die Produktion von Fayence zu beschränken, weil der französische König das Monopol der Porzellanherstellung 1753 seiner königlichen Manufaktur in Vincennes, später Sèvres, verlieh.
Die französischen Fayence-Manufakturen waren wegen dieser Zwangslage bemüht, den Porzellanerzeugnissen in der Qualität möglichst nahe zu kommen. Straßburg erzielte herausragende Ergebnisse. Der Gründer Charles François Hannong produzierte hauptsächlich Speiseservice mit blauem Dekor. Sein Sohn Paul übernahm die Firma 1732 und entwickelte neue Farben, Dekore und Formen, mit denen er die Straßburger Manufaktur an die Spitze im europäischen Vergleich brachte. Nach seinem Tod 1760 führte sein ältester Sohn Joseph Adam die Produktion fort, bis er wegen hoher Verschuldung 1781 seinen Betrieb aufgeben musste.
Die Bedeutung der Straßburger Fayence liegt in der Perfektion des Blumendekors und der Beherrschung feinster Farbnuancen. Außerdem waren Kleinplastiken und augentäuschend echt geformte sogenannte Schaugerichte sehr begehrt.
Was ist eigentlich Fayence?
Der Name Fayence leitet sich von der Stadt Faenza ab, einem der ersten italienischen Herstellungsorte dieser Art von Keramik. Man bezeichnet damit Tonwaren, deren einmal vorgebrannter, poröser Scherben mit einer undurchsichtigen, wasserundurchlässigen, durch Zinnoxid weiß gefärbten Glasur überschmolzen ist. Mit glänzend weißen Fayencen hat man bewusst das teure Porzellan imitiert, das lange Zeit aus Ostasien eingeführt werden musste.
In Italien wird die gleiche Art von Keramik als Majolika bezeichnet, nach der Insel Mallorca, über die der Handel mit spanischen Fayencen nach Italien abgewickelt wurde.
Von Italien aus gelangte die Fayencetechnik nach Frankreich und Holland, wo Delft zu einem berühmten Zentrum der Herstellung wurde. Die ersten deutschen Manufakturen entstanden in Hanau, Frankfurt und Berlin. Die bedeutendsten süddeutschen Manufakturen entstanden in der Zeit zwischen 1710 und 1720 in Ansbach, Bayreuth und Crailsheim.
Spitzenwerke in der Sammlung Ludwig Bamberg
Das bekannte deutsche Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig überließ der Stadt Bamberg im Jahr 1995 seine umfangreiche Keramiksammlung mit den Schwerpunkten Straßburger Fayence und Meißener Porzellan als Dauerleihgabe. Seitdem ist das Alte Rathaus Anziehungspunkt für Keramikfreunde aus aller Welt und thematisiert in Sonderausstellungen Tischkultur des 18. Jahrhunderts genauso wie zeitgenössische keramische Kunst.
Zu den Highlights und Publikumslieblingen gehört der Truthahn. Auf den ersten Blick eine Tierplastik, als gelungene Nachbildung des „Gallus Indicus“, auf den zweiten Blick eine gebrauchsfähige Terrine, in der beim höfischen Festmahl Truthahnragout serviert werden konnte. Sie zeichnet sich durch ihre Größe, die lebendige Modellierung des Tieres und die exquisite Feinheit der Bemalung aus und gehört zu den spektakulärsten - und teuersten - Objekten, die die Manufaktur im Angebot hatte. Wegen ihrer Kostbarkeit hat man wahrscheinlich darauf verzichtet, sie in Gebrauch zu nehmen, zu groß war die Gefahr, dass sie beim Abspülen zerbrach. Aber als Mittelpunkt hatte sie den Ehrenplatz auf der Festtafel!
Die unübertroffene Schönheit der Blumenmalerei machte den Ruhm der Straßburger Manufaktur aus. Die Malerwerkstatt verfügte über eine so große Palette an Schmelzfarben, dass feinste Nuancierungen gelangen. Wichtige Impulse gab der in Meißen geschulte Porzellanmaler Christian Wilhelm von Löwenfinck. Er war zusammen mit seinem Bruder Adam Friedrich und dessen Frau Maria Seraphia von Meißen über mehrere Zwischenstationen nach Straßburg gekommen. Maria Seraphia von Löwenfinck gelang das Kunststück, auf den weißen Grund der Fayenceplatte eine weiße Narzisse zu malen.
Dass sich Straßburger Fayence auch mitten in der Porzellanbegeisterung des 18. Jahrhunderts nicht verstecken musste, zeigt die Affenkapelle. Sie hat ihr Vorbild in Meißen, wo sie sofort nach Erscheinen ein Verkaufsschlager war - an diesem Erfolg wollten auch andere Manufakturen teilhaben und entwarfen eigene Serien zu diesem Thema.
Wer sich das Vergnügen machen möchte, in der Sammlung Ludwig in Bamberg die Meißener mit den Straßburger Affen zu vergleichen, wird nicht enttäuscht sein!
18. August 2021
Weiterführende Literatur aus unserer Schriftenreihe:
Goldchinesen und indianische Blumen
Die Sammlung Ludwig in Bamberg. Porzellan und Fayence.
Bestandskatalog
(= Schriften der Museen der Stadt Bamberg, Nr. 50)
Regina Hanemann (Hg.)
Petersberg 2010, ISBN: 978-3-86568-549-0
29,95 €